Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen zur dreißigsten Ausgabe meines Mandantenbriefs. Heute soll es wieder um strafrechtliche Zusammenhänge gehen. Ich hatte bereits Ende 2019 über eine Großrazzia gegen Apotheker in Hamburg berichtet, die sich in wahrscheinlich unzulässiger Weise an einem MVZ beteiligt hatten.
Ein ganz ähnlicher Fall war aber bereits im März 2019 durch das Landgericht Hamburg entschieden worden. Es ging ebenfalls um einen Apotheker, der sich an einem ärztlichen MVZ beteiligt hatte. Da eine solche Beteiligung Apothekern nicht möglich ist, faßte der Apotheker folgenden Plan:
Er wollte ein medizinisches Versorgungszentrum erwerben, um sich – über den dann möglichen Einfluß auf das Verordnungsverhalten der dort tätigen Ärzte – neue Absatzquellen für die von ihm hergestellten sehr teuren Zytostatika zu verschaffen. Hierbei wußte er, daß die Beteiligung von Apothekern an einem MVZ nicht möglich war. Um dieses gesetzliche Beteiligungsverbot zu umgehen, suchte er nach einem zugelassenen Arzt als „Strohmann“. Als solcher fand sich der Angeklagte D. Über diesen erwarb der Apotheker die Mehrheitsanteile an einem zugelassenen MVZ, und zwar von einem weiteren mitangeklagten Arzt, der sich in einer schwierigen finanziellen Lage befand. Dieser Arzt trat in der Folgezeit weiter als ärztlicher Leiter des MVZ auf. Er kannte ebenfalls die Strohmann-Konstruktion und die damit bezweckte Umgehung des Beteiligungsverbots. Das MVZ reichte in der Folgezeit mehrere Quartalsabrechnungen bei der KV ein, die knapp 1,5 Millionen Euro an das MVZ auszahlte. Darüber hinaus wurden Abrechnungen über 150.000,- € mit einer Krankenkasse vorgenommen.
Das Landgericht hat den Apotheker zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt (Freiheitsstrafen können nur bis zu einer Dauer von 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden). Die mitangeklagten Ärzte wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Die Angeklagten legten gegen das Urteil Revision zum Bundesgerichtshof ein, der mit Urteil vom 19.08.2020 (5 StR 558/19) darüber entschieden hat. Der BGH hat den Schuldspruch gehalten. Ein Vertragsarzt als Gesellschafter eines Medizinischen Versorgungszentrums habe keine Berechtigung, gegenüber Kassenärztlichen Vereinigungen abzurechnen, wenn er nur zum Schein eingesetzt werde. Jegliche Abrechnung sei dann als Betrug zu werten. Die Verurteilung wegen mehrfachen – teils banden- und gewerbsmäßig begangenen – Betruges sei somit rechtmäßig gewesen. Lediglich wegen einiger Details bei der Strafzumessung wurde der Fall an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.
Dies bedeutet, daß sämtliche Konstruktionen, in der ein Arzt eine wirtschaftliche Eigentümerstellung an einer MVZ-Trägergesellschaft nur vortäuscht, mit dem Verdacht des Betruges behaftet sind. Dies betrifft insbesondere Konstruktionen, in denen neben den geschäftsführenden Ärzten sogenannte stille Gesellschafter existieren. Für die Einrichtung einer stillen Gesellschaft als Trägerin eines MVZ besteht wirtschaftlich überhaupt kein Grund. Es handelt sich nach meiner Ansicht stets um ein Umgehungsgeschäft, mit dem der tatsächliche wirtschaftliche Profiteur verdeckt werden soll und mit dem der Gewinn in die falschen Taschen geleitet werden soll. Hieran ändert sich nichts, wenn der Strohmann die volle medizinische Entscheidungsgewalt behält, denn das formstrenge Zulassungsrecht erlaubt solche Gestaltungen nicht ausdrücklich, also sind sie verboten.
Derzeit arbeiten Medizinjuristen an Strohmannlösungen, um Wirtschaftsunternehmen ohne medizinischen Bezug an die Fleischtöpfe des deutschen Gesundheitswesens zu bringen. Von solchen Konstruktionen ist nicht nur aus moralischen und berufspolitischen Erwägungen Abstand zu nehmen, sondern auch wegen der latenten Gefahr einer Strafverfolgung. Verträge zwischen Ärzten und solchen MVZ-Betreibern sind in der Regel wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, § 134 BGB.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Renzelmann, RA