Rechtsinformationen für Pathologen

Ausgabe 19/2019 – Thema: Ein Jahr Datenschutz-Grundverordnung

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

am 15.05. jährt sich das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung. Grund genug, einmal zu betrachten, ob sich die ganze Aufregung um das Thema gelohnt hat und was für die Praxis dabei herausgekommen ist:

 

 

1. Rücktritt vom Praxiskaufvertrag wegen Schweigepflichtverletzung

 

Zunächst möchte ich auf ein bereits älteres Urteil des Landgerichts Flensburg vom 05.07.2013, Az. 4 O 54/11, hinweisen. Das Landgericht Flensburg hat den Rücktritt einer Praxiskäuferin vom Praxiskaufvertrag wegen eines Sachmangels für zulässig erachtet, als diese feststellte, daß der Praxisverkäufer einem externen Dritten zum Zweck der Pflege und Wartung sowie der Unterstützung des Praxispersonals bei der EDV-Anwendung ungehinderten und vollumfänglichen Zugriff auf die in der EDV gespeicherten Patientendaten gewährt hatte. Daß der Verkäufer sich von diesem externen Dritten eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen lassen hatte, spielte für das Gericht keine Rolle.

 

An diesem Urteil ist gut sichtbar, wie wichtig mittlerweile auch Zivilgerichte den Datenschutz nehmen. Eine Arztpraxis, in der Datenschutz nicht praktiziert wird, hat für die dortigen Richter einen weit geringeren Wert als eine Arztpraxis, die datenschutzrechtlich gut aufgestellt ist. 

 

 

2. Weitergabe von Patientendaten durch medizinische Fachangestellte

 

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.11.2016, Az. 12 Sa 22/16, rechtskräftig entschieden, daß eine medizinische Fachangestellte, die durch Weitergabe der Patientendaten an eine nicht berechtigte Person ihre arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht verletzt, außerordentlich gekündigt werden kann. Im Hinblick auf die Schwere eines solchen Vertragsverstoßes könne eine Abmahnung der Fachangestellten entbehrlich sein, weil sich das Vertrauen des Arbeitgebers in die Diskretion der Fachangestellten nicht wiederherstellen lasse. 

 

Gemessen an dem normalerweise im Arbeitsrecht geltenden Grundsatz, daß dem Arbeitnehmer zunächst durch Abmahnung Gelegenheit gegeben werden muß, sein Fehlverhalten zu überdenken und nicht zu wiederholen, ist dieses Urteil ebenfalls ausgesprochen hart. Die Verletzung der Schweigepflicht wird damit Fällen gleichgestellt, in denen der Arbeitnehmer den Arbeitgeber körperlich angreift, sich bestechen läßt, für die Konkurrenz spioniert oder stiehlt. Der Verstoß der Arbeitnehmerin im entschiedenen Fall (Abfotografieren des Terminblatts der Patientin und Versenden dieses Terminblatts an die Tochter der MFA, die mit der Patientin bekannt war) ist verglichen mit diesen Beispielen verhältnismäßig gering. Also ist auch bei den Arbeitsgerichten eine starke Tendenz sichtbar, Datenschutzverstöße zu ahnden. 

 

 

3. Strafverfahren gegen Pathologen wegen Schweigepflichtverletzung

 

In einem südlichen Bundesland führte eine Patientenorganisation sogenannte Testanrufe bei verschiedenen Ärzten durch. Leider traf dies auch ein pathologisches Institut. Am Telefon wurden Auskünfte zu einer Patientin an den Vertreter der Patientenorganisation erteilt, nachdem dieser sich als Ehemann der Patienten ausgegeben hatte. Die Staatsanwaltschaft hat nach kurzer Zeit angeboten, das Verfahren gegen Zahlung einer erheblichen Geldsumme einzustellen. Meine Mandanten haben dies abgelehnt. Gleichzeitig habe ich Strafanzeige gegen den Vertreter der Patientenorganisation wegen Anstiftung zur Verletzung des Berufsgeheimnisses gestellt und, nachdem die Staatsanwaltschaft dieser Anzeige nicht nachging, auch den zuständigen Staatsanwalt wegen Strafvereitelung im Amt angezeigt. Man kann gespannt sein, wie dieses Verfahren weitergeht. Die Mandanten sind kämpferisch eingestellt und der Auffassung, daß sie sich nicht durch jeden selbsternannten Sittenwächter herumschubsen lassen müssen. 

 

 

4. Pontius Pilatus von der PVS

 

Die Nutzung von privaten Abrechnungsstellen bei Privatpatienten durch Pathologen ist nur erlaubt, wenn jeder Patient im Einzelfall eine Einverständniserklärung mit der Abrechnung über die PVS abgibt. Dies haben zuletzt sowohl die Bundesärztekammer als auch der Bundesverband Deutscher Pathologen sowie eine Vielzahl von anwaltlichen Kommentatoren festgestellt. Es handelt sich dabei zumindest um einen Berufsrechtsverstoß, einzelne Autoren gehen auch weiterhin von Straftaten und Verstößen gegen das Datenschutzrecht aus. Für völlig legal halten die Abrechnung über private Abrechnungsstellen in Fällen, in denen keine Einverständniserklärung vorliegt, vor allem diese Abrechnungsstellen selbst. 

 

Es war deshalb einmal ganz interessant zu sehen, was passiert, wenn sich ein Patient, der mit der Abrechnung über die PVS nicht einverstanden war, bei der PVS beschwert. Die PVS Rhein-Ruhr schrieb an eine von mir vertretene Pathologiepraxis: 

 

„Aufgrund einer Meldung durch einen Patienten (Betroffener i.S. der DS-GVO) haben wir festgestellt, daß für die Rechnung Nummer … keine gültige Einwilligung vorliegt…

 

Bitte berücksichtigen Sie, daß sie als verantwortliche Stelle für eine eventuelle Meldung des Vorganges an die Aufsichtsbehörde und gegebenenfalls an den Betroffenen gemäß Artt. 33,34 DS-GVO zuständig sind. Die PVS wird keine Information an eine Aufsichtsbehörde oder den Betroffenen vornehmen.

 

Der Vorfall wurde am … um … bei uns registriert und unverzüglich an Sie weitergeleitet. Bitte beachten Sie, daß … die 72-stündige Frist gemäß Art. 33 DS-GVO mit Eingang dieser Meldung in ihrem Haus beginnt.

 

Aus unserer Sicht führt die Verletzung des Schutzes der personenbezogenen Daten nicht zu einem Risiko für die Rechte und Freiheiten des/der Betroffenen, da die Daten an einen Geheimnisträger nach § 203 StGB weitergegeben und alle Daten aus unseren Systemen gelöscht wurden (sofern bereits eine Rechnungsstellung erfolgt ist: mit Ausnahme der Daten, die einer gesetzlichen Aufbewahrungsfrist unterliegen).“

 

Es fällt mir schwer, diese Reaktion der PVS sachlich zu kommentieren. Nachdem zunächst überall die Meinung vertreten wird, daß eine Einwilligung der Patienten nicht erforderlich ist, wäscht man nun, da sich ein Patient beschwert hat, seine Hände in Unschuld und überläßt das Problem der ärztlichen Kundschaft. Die betroffene Praxis hat den Vorfall zum Anlaß genommen, das Geschäftsverhältnis mit der PVS zu beenden. Man rechnet nun selbst ab, das Medizininkasso bei Nichtzahlern erfolgt anwaltlich.

 

 

5. Keine Abmahnwelle

 

Die allseits erwartete Abmahnwelle ist vollkommen ausgeblieben. Die bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO sattsam bekannten Anwaltskollegen haben lediglich ein paar Musterverfahren begonnen. Dahinter steht wahrscheinlich auch die Erkenntnis, daß die Politik solche Auswüchse des Datenschutzrechts nicht auf Dauer dulden kann und wird. Auch die Vorstände der Anwaltskammern haben sich entsprechend positioniert und angekündigt, allzu üble Auswüchse des Abmahnwesens berufsrechtlich zu verfolgen. 

 

 

6. Tätigkeit der Landesdatenschutzbeauftragten

 

Die Landesdatenschutzbeauftragten haben regelmäßig getagt und beantworten relativ zeitnah Fragen, die an sie gestellt werden. Bisher ist die Neigung, Beschwerden nachzugehen, eher gering. Man hat den Eindruck, daß nicht wirklich klar geregelt ist, wer Sanktionen gegen Datensünder zu erlassen hat und vor welchen Gerichten Beschwerde- und Bußgeldverfahren stattzufinden haben. So sind diese Behörden im Ergebnis vor allem damit beschäftigt, sich selbst zu verwalten. Ich erwarte aber nicht, daß das so bleibt, weil der Mensch dazu neigt, Macht, die ihm gegeben wird, auch auszuüben.

 

 

Fazit

 

Die DS-GVO schafft lebendige und spannende Themen, hat so manchen Arbeitstag verlängert und so manches Portemonnaie leichter gemacht, hat für die Schaffung vieler Arbeitsplätze für Personen gesorgt, deren vielfältige Talente man sonst eher nicht benötigt hätte und hat wider Erwarten die ärztliche Tätigkeit in den allermeisten Fällen nur unerheblich gestört.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

gez. Renzelmann, RA

 

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