Rechtsinformationen für Pathologen

Ausgabe 28/2020 – Thema: Keine Umsatzsteuer auf histologische Leistungen

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

herzlich willkommen zur achtundzwanzigsten Ausgabe meines Mandantenbriefs. Weitgehend unbeachtet lagen in den letzten Monaten beim Bundesfinanzhof zwei Klageverfahren, die große Gefahren für die deutsche Pathologie in sich bargen. Es ging um nicht mehr und nicht weniger als die Frage, ob auf histologische Leistungen Umsatzsteuer zu berechnen sei. Diese Frage ist deshalb von vitalem Interesse für die Pathologen, weil mit vielen Krankenhäusern Pauschalvereinbarungen bestehen, die von einer Umsatzsteuerverpflichtung histologisch tätiger Ärzte nicht ausgehen. Sollte von heute auf morgen auf solche Leistungen Umsatzsteuer zu erheben sein, würden sich diese Leistungen für die Einsender verteuern. Es könnte auch sein, daß sich Einsender auf den Standpunkt stellen, in den jeweiligen Pauschalvereinbarungen seien Umsatzsteuerleistungen erhalten. Das würde dann dazu führen, daß von sämtlichen Krankenhausumsätzen der entsprechende Anteil an Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen wäre, sich so die Honorarumsätze entsprechend vermindern würden. 

 

In den beiden Verfahren wurden ein Laborarzt und eine auch histologisch tätige dermatologische Praxis vom Finanzamt für alle Privateinnahmen und Krankenhausaufträge mit Umsatzsteuer belegt. Beide Verfahren landeten beim Bundesfinanzhof (das ist im Finanzgerichtsprozeß die zweite und letzte Instanz). Dreh- und Angelpunkt der Argumentation der Finanzverwaltung war, daß es sich bei Einsendeleistungen um solche Leistungen handele, in denen kein konkretes Vertrauensverhältnis zwischen dem Patienten und dem Arzt bestehe. Dies sei aber Voraussetzung für die Befreiung eines Arztes von der Pflicht, Umsatzsteuer zu erheben und an das Finanzamt abzuführen. 

 

Der Bundesfinanzhof hat eines der Verfahren zunächst dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Im Unterschied zur Argumentation der Finanzverwaltung hat der Bundesfinanzhof eine Steuerbefreiung angenommen. Es sei allerdings fraglich, ob womöglich diese Steuerbefreiung für Heilbehandlungen bei medizinischen Analysen von vornherein nicht anwendbar sein könnte, weil die Mehrwertsteuerrichtlinie der Europäischen Union, die eine solche Befreiung nicht ausdrücklich nennt, hiergegen sprechen könnte. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 18.09.2019 (C-700/17) entschieden, daß Heilbehandlungsleistungen durch Einsendepraxen ebenfalls von der Mehrwertsteuerbefreiung umfaßt sein können. Auf das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Patienten und dem Behandelnden komme es nicht an.

 

Daraufhin hat der Bundesfinanzhof das andere bei ihm anhängige Verfahren (Aktenzeichen IX R 30/17), nämlich das der dermatologischen Praxis, ebenfalls in diesem Sinne entschieden. Histopathologische Leistungen seien von der Umsatzsteuer befreit. Hiergegen spreche auch nicht, daß die Gewebeproben vom nichtärztlichen Laborpersonal präpariert werden. Es sei nicht notwendig, daß jeder Aspekt einer therapeutischen Behandlung vom ärztlichen Personal durchgeführt werde. Die Steuerbefreiung sei grundsätzlich auch bei einer entsprechenden beruflichen Qualifikation der Mitarbeiter zu gewährleisten. Die entscheidenden Arbeitsschritte der Untersuchung und Befundung würden im Fall der Histopathologie von den Fachärzten vorgenommen, sodaß insoweit die Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerbefreiung ohne weitere Zweifel erfüllt seien. 

 

Man kann über dieses Urteil nur froh und glücklich sein. Der Kelch der Umsatzsteuerpflicht ist einmal mehr an der Pathologie vorbeigegangen. 

 

Es stellt sich allerdings die Frage, ob man zukünftig in Vereinbarungen mit Krankenhäusern das Problem einer eventuell eintretenden Umsatzsteuerpflicht vorsorglich regeln sollte. Es spricht einiges dafür, daß die Umsatzsteuer vom Krankenhaus getragen werden sollte, jedenfalls dann, wenn der Krankenhausträger in Form einer GmbH auftritt oder aus anderen Gründen vorsteuerabzugsberechtigt ist. Das Krankenhaus kann dann nämlich diese gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer wieder geltend machen mit der Folge, daß das Finanzamt diese Umsatzsteuer sowohl vereinnahmt als auch selbst wieder zurückbezahlt. Umgekehrt wird ein Pathologe, der die Umsatzsteuer vom Honorar abführen muß, um einen erheblichen Teil seines Honorars gebracht. Das Problem sollte bei jeder Verhandlung mit einem Krankenhaus angesprochen und im Vertrag geregelt werden.

 

Hier noch ein Nachtrag zu meinem letzten Mandantenbrief: Ich hatte dort den im Rahmen der organisierten Krebsfrüherkennung tätigen Pathologen empfohlen, gegen den Quartalsbescheid für das erste Quartal 2020 Widerspruch einzulegen. Mittlerweile hat die AZÄB empfohlen, den Widerspruch auch in allen Folgequartalen einzulegen. Es gibt nämlich in der neuen Regelung weitere offenkundig rechtswidrige Punkte, z.B. die unterschiedliche Höhe der Grundpauschalen für Laborärzte auf der einen und zytologisch tätige Ärzte auf der anderen Seite bei völlig gleicher Leistungserbringung. Hier finden derzeit auch wohl Gespräche zwischen den Berufsverbänden statt und es ist zu erwarten, daß es noch einmal Änderungen gibt. Wer seine Quartalsbescheide bestandskräftig werden läßt, wird unter Umständen von den Ergebnissen dieser Gespräche nicht profitieren können. Ich schließe mich deshalb der AZÄB an und empfehle ebenfalls, alle künftigen Quartalsabrechnungen fristwahrend anzugreifen.

 

Herzlichst Ihr

C. Renzelmann

 

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