In den letzten Jahren hat der Gesetzgeber den Opferschutz verstärkt. Die Opfer von Straftaten haben gleich ein ganzes Bündel von Rechten, das ihnen nicht nur die Durchsetzung von Schmerzensgeld- und Schadenersatzansprüchen ermöglicht, sondern auch eine gewisse Genugtuung gegenüber dem Täter verschaffen kann. Die wesentlichen Opferrechte und Opferschutzmechanismen sollen im Folgenden zusammengefasst werden:
1. Das Opfer als Zeuge
Das Verbrechensopfer kommt fast immer als Zeuge im Strafverfahren gegen den Täter in Betracht. Dies führt vielfach dazu, dass das Opfer im Rahmen seiner Aussage die Straftat und ihre Folgen einmal oder mehrmals geistig erneut durchleben muss, was eine hohe psychische Belastung mit sich bringt. Vielfach steht das Opfer zum Täter auch in einem verwandtschaftlichen oder anderen Verhältnis, das eine Aussage zusätzlich erschwert. Das Gesetz bietet Zeugen in solchen Fällen Auskunfts- und Aussageverweigerungsrechte und andere Schutzmechanismen, die aber aufgrund von Zeitnot oder mangelhaftem Wissen der Vernehmensperson dem Opfer häufig nicht klar gemacht werden.
Es kann deshalb sinnvoll sein, auch als bloßer Zeuge eines Verbrechens eine anwaltliche Vertretung in Anspruch zu nehmen. Anwälte können als sogenannte Zeugenbeistände auftreten. Dies kann so weit gehen, dass der Anwalt als Zeugenbeistand während der Verhandlung neben dem Zeugen sitzt und diesem bei der Aussage zur Seite steht. Die Kosten eines Zeugenbeistands werden je nach Prozesssituation teilweise von Rechtsschutzversicherungen übernommen. Ein Zeugenbeistand kann auch durch das Gericht auf Kosten der Staatskasse beigeordnet werden.
Ein Verbrechensopfer, das als Zeuge aussagt, kann je nach Gefährdungslage bestimmte Schutzmaßnahmen in Anspruch nehmen. Dies beginnt teilweise bereits bei der polizeilichen Aussage, indem Wert darauf gelegt wird, dass die Anschrift des Zeuge nicht zum Akteninhalt gemacht wird und somit dem Täter nicht zugänglich ist. Bei kindlichen Opferzeugen und Opfern von Sexualstraftaten haben die Gerichte mittlerweile erhebliche Fortschritte beim Schutz der Opfer gemacht. So gibt es etwa die Möglichkeit der Videovernehmung oder der Entfernung des Angeklagten aus dem Gerichtssaal während der Zeugenaussage.
Auch die Öffentlichkeit kann während der Aussage ggf. ausgeschlossen werden.
2. Geltendmachung von Verletztenrechten im Strafverfahren
Neuerdings sind in der Strafprozessordnung besondere Rechte des Verletzten einer Straftat geregelt. Solche Rechte können sein:
3. Rechtsmittel gegen Einstellung eines Strafverfahrens
Der Verletzte einer Straftat erhält bei Einstellung des Strafverfahrens gegen den Täter gewöhnlich einen Einstellungsbescheid, zumindest dann, wenn er bei Anzeigeerstattung darum gebeten hat. Gegen diesen Bescheid kann er binnen zwei Wochen nach Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft erheben. Wird hiernach die Einstellung beibehalten, kann innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung die gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Diese Entscheidung trifft das Oberlandesgericht (sogenanntes Klageerzwingungsverfahren).
Leider sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Klageerzwingungsverfahrens so hoch, dass der allergrößte Teil der Anträge auf Klageerzwingung durch die Oberlandesgerichte zurückgewiesen wird. Die Beschwerde gegen die Einstellung bei der Generalstaatsanwaltschaft hingegen hat häufig Erfolg und führt zur Wiederaufnahme der Ermittlungen.
4. Privatklageverfahren
Wird ein Strafverfahren eingestellt, kann in manchen Fällen, d.h. bei bestimmten Delikten, der Verletzte das Privatklageverfahren betreiben. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um ein normales Strafverfahren, nur mit dem Unterschied, dass statt des Staatsanwalts der Anwalt des Verletzten auf der Bank des Anklägers sitzt. Entschieden werden diese Verfahren durch den Strafrichter, der auch normalerweise für den Straftäter zuständig wäre.
Da das Privatklageverfahren nicht zwingend zu einer Verurteilung führen muss, ist es nur zu empfehlen, wenn eine Rechtsschutzversicherung oder die Staatskasse im Rahmen der Prozesskostenhilfe die Kosten hierfür trägt. Im übrigen ist Vorsicht geboten, weil der Beklagte eines Privatklageverfahrens (also der Täter) Widerklage erheben kann und ebenfalls beantragen kann, dass der Privatkläger (also das bisherige Opfer) bestraft wird. In Fällen, in denen es wechselseitige Körperverletzungen oder Beleidigungen gegeben hat, empfiehlt sich deshalb das Privatklageverfahren auf keinen Fall.
5. Nebenklage
Opfer bestimmter Straftaten können Nebenklage erheben. Dies bedeutet, dass der Anwalt des Opfers nicht an Stelle, sondern neben dem Staatsanwalt an der Verhandlung teilnimmt, Anträge stellen und ein Plädoyer halten kann. Die Zulassung einer Nebenklage führt fast immer zu einer schärferen Bestrafung und zu größeren Widerständen des Gerichts gegen Einstellungen von Verfahren. Die Nebenklage ist also aus Opfersicht eine sinnvolle Einrichtung. Das Opfer selbst gerät hierdurch in eine Doppelrolle als Zeuge und Ankläger, die aber in den allermeisten Fällen von den Gerichten menschlich gut vertretbar gelöst wird. Die Kosten der Nebenklage werden im Fall der Verurteilung dem Täter auferlegt. Nebenklagen werden im Allgemeinen durch Rechtsschutzversicherungen bezahlt, da sie im Rahmen der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zu den zweckentsprechenden Kosten der Rechtsverfolgung gehören.
Kommt es nicht zu einer Verurteilung des Täters und tritt auch keine Rechtsschutzversicherung ein, werden die Kosten der Nebenklage dennoch häufig dem Täter auferlegt. Lediglich bei einem Freispruch des Täters, der statistisch relativ selten ist, bleibt der Nebenkläger auf seinen Anwaltskosten sitzen.
6. Adhäsionsverfahren
Das Adhäsionsverfahren soll dem Opfer einer Straftat ermöglichen, seine zivilrechtlichen Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche bereits im Strafverfahren durchzusetzen und sich somit einen langwierigen Zivilprozess zu ersparen. Neben dem zeitlichen Vorteil, den das Adhäsionsverfahren bietet, ist es in aller Regel auch beweisrechtlich günstiger, da im Adhäsionsverfahren das Verbrechensopfer als Zeuge aussagen kann, während im Zivilprozess das Verbrechensopfer Kläger und damit Prozesspartei ist und nicht als Zeuge in Betracht kommt.
Soweit das Gericht über ein Adhäsionsverfahren entscheidet, ist diese Entscheidung ein Vollstreckungstitel wie ein zivilrechtliches Urteil. Aus einem solchen Titel kann dementsprechend die Zwangsvollstreckung betrieben werden.
7. Opferentschädigungsgesetz
Verletzte eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs, die gesundheitlich geschädigt worden sind, können nach dem Opfer-Entschädigungsgesetz (OEG) eine finanzielle Entschädigung vom Staat erhalten. Hierzu ist ein entsprechender Antrag zu stellen. Nach dem OEG kann z.B. die medizinische Heilbehandlung eines Opfers übernommen werden oder ein Versorgungsgeld gezahlt werden, das dem normalen Krankengeld entspricht. Zur Wiedereingliederung des Opfers in das Berufsleben sind berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation möglich. Nach dem OEG kann sogar eine monatliche Rente gewährt werden.
Ein Antrag nach dem OEG sollte möglichst schnell nach der Straftat gestellt werden, da die Leistungsansprüche innerhalb von vier Jahren verjähren und Leistungen für Zeiten, in denen noch kein Antrag gestellt ist, nicht bzw. nur bei rechtzeitiger Antragstellung gewährt werden. Als Faustregel gilt, dass ein Antrag auf Opferentschädigung innerhalb eines Jahres nach der Tat gestellt sein sollte.
8. Zusammenfassung
Wie gezeigt haben Opfer von Straftaten sehr verschiedenartige und vielfältige Rechte. Nicht in jedem Fall empfiehlt sich auch jede der vorstehend gezeigten Möglichkeiten. Man sollte sich als Verbrechensopfer ausführlich über die einzelnen Möglichkeiten informieren und beraten lassen.