Zuerst veröffentlicht in pathologie.de, Verbandszeitschrift des Berufsverbands Deutscher Pathologen, Heft 2/2003
Schauplatz des Geschehens: Eine deutsche Arztpraxis. Es ist 8:00 Uhr. Doktor X hat gerade vor seinem Morgenkaffee Platz genommen und freut sich auf einen arbeitsreichen Tag, als eine aufgeregte Helferin mit folgenden Worten hereinkommt: „Herr Doktor, da sind fünf Herren von der Polizei, die haben einen Durchsuchungsbeschluss und möchten gerne mit Ihnen reden."
Keine Panik!
Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Ärzte nehmen zu. Fast überall sind Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften gebildet worden, die mit speziellen Einsatzgruppen das Abrechnungsverhalten von Ärzten flächendeckend überprüfen. Die oben geschilderte Situation überfordert die meisten Ärzte, zumal das Verhalten bei polizeilichen Durchsuchungen nicht zum Ausbildungsstoff der Universitäten gehört. Diese Ausbildungslücke will der vorliegende Artikel schließen, indem er dem Arzt, der verschuldet oder unverschuldet in eine solche Lage gerät, erste Verhaltensregeln an die Hand gibt.
Im Normalfall werden die Durchsuchungsbeamten im Besitz eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses sein. Ein solcher Beschluss ergeht bereits bei einfachem Tatverdacht, z.B. auf Grund einer anonymen Anzeige. Der Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses bedeutet nicht, daß eine Verurteilung wegen einer Straftat wahrscheinlich ist, sondern lediglich, daß Verdachtsmomente vorliegen. Ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss ist die Durchsuchung zulässig, wenn „Gefahr im Verzug" gegeben ist. Bei der Strafverfolgung von Ärzten wird in der Regel ein solcher Beschluss vorliegen.
Richtiges Verhalten des Arztes
Gegenüber den Durchsuchungsbeamten sollte man korrekt und freundlich auftreten. Von der Möglichkeit, zur Durchsuchung Zeugen hinzuzuziehen, sollte auf jeden Fall Gebrauch gemacht werden. Als Durchsuchungszeugen kommen auch Praxisangestellte in Frage.
Der Beschuldigte (Im Normalfall der oder die betroffenen Ärzte) sollte so schnell wie möglich telefonisch Kontakt zu einem Strafverteidiger aufnehmen, um diesem zu ermöglichen, an der Durchsuchung teilzunehmen. Diese telefonische Kontaktaufnahme darf von dem Durchsuchungsbeamten nicht verhindert werden. Eine gesetzliche Grundlage für ein Telefonverbot gibt es nicht.
Auf informelle Gespräche mit den Durchsuchungsbeamten sollte man auf jeden Fall verzichten. Ohne vorhergehende Konsultation eines Strafverteidigers sollten keinerlei Angaben zur Sache gemacht werden.
Wenn die Durchsuchungsbeamten konkret nach bestimmten Unterlagen fragen, sollten diese herausgegeben werden, um Erweiterungen der Durchsuchungshandlung – und somit eventuelle Zufallsfunde - zu vermeiden. Soweit Gegenstände beschlagnahmt werden, ist der Beschlagnahme – schon zur Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht - zu widersprechen. Unbedingt müssen die beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen in das von den Beamten erstellte Beschlagnahmeverzeichnis aufgenommen werden und dort genau bezeichnet werden, um später keine Probleme bei der Rückgabe zu haben.
Schadensbegrenzung
Ein wirkliches wirtschaftliches Problem entsteht, wenn die Durchsuchungsbeamten die Computeranlage beschlagnahmen, was zu einem wochenlangen Stillstand der Praxis führen kann. Man sollte bei einer solchen Maßnahme versuchen, eine Kopie der Festplatte herzustellen. Die Ermittlungsbehörden sind meist bereit, in Zusammenarbeit mit der Computerfirma, die die Praxis betreut, die Anfertigung einer Kopie zu gestatten. Die Computerfirma kann dann mit Hilfe eines Ersatz- Servers den reibungslosen Fortgang der Praxisgeschäfte gewährleisten.
Soweit wichtige Akten, insbesondere Befundberichte und Rechnungsunterlagen, beschlagnahmt werden, lassen es die Ermittlungsbehörden in der Mehrzahl der Fälle zu, Fotokopien anzufertigen, wenn dies in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit möglich ist.
Die Ermittlungsbeamten sind verpflichtet, Durchsuchungsmaßnahmen so schonend wie möglich durchzuführen. Dem Wunsch, auffällige Einsatzfahrzeuge nicht direkt vor der Praxis abzustellen, wird man meist nachkommen. Gleiches gilt für uniformiertes Auftreten im vollen Wartezimmer und in der Nachbarschaft.
Eine große Gefahr für das laufende Ermittlungsverfahren geht naturgemäß von den Praxismitarbeitern aus. Durch unbedachte Äußerungen können diese dem betroffenen Arzt schaden. Es empfiehlt sich, den nachfolgenden Handzettel für Mitarbeiter über das Verhalten bei Durchsuchungen als grundsätzliche Arbeitsanweisung an die Mitarbeiter auszugeben, auch wenn derzeit der Praxis kein Ermittlungsverfahren droht.
Nochmals: Keine Panik!
Nach Beendigung der Durchsuchungsmaßnahme sollte man – soweit noch nicht geschehen – unverzüglich Kontakt zu einem Strafverteidiger aufnehmen, der auch in medizinrechtlichen Fragen bewandert ist. Der Berufsverband kann Ihnen eventuell Kontakte vermitteln. Dauert die Durchsuchung über mehrere Tage an, wird meist ein Teil der Praxis oder der Schränke versiegelt. Der Bruch eines solchen Siegels stellt eine Straftat dar und ist unbedingt zu vermeiden.
Nach Abschluss der Durchsuchung ist der Tatvorwurf, der sich aus dem richterlichen Durchsuchungsbeschluss ergibt, vom betroffenen Arzt und seinem Verteidiger zu prüfen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß gegebenenfalls die Ermittlungsbehörden weitere Funde gemacht haben können, die zu weiteren Ermittlungen führen könnten. Zur Vermeidung weiterer Durchsuchungen hat der Strafverteidiger die Möglichkeit, mit den Ermittlungsbehörden frühzeitig Kontakt aufzunehmen und gegebenenfalls weiteres Material freiwillig herauszugeben. In dieser Phase des Ermittlungsverfahrens kann man durch kooperatives Verhalten in der Regel den späteren Prozessstoff begrenzen und weitere wirtschaftliche Schäden vermeiden.
Handzettel für Mitarbeiter:
Verhalten bei Durchsuchungen
Vor allem wichtig: Ruhe bewahren, keine Konfrontation!
Bei Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen hat jeder Mitarbeiter sofort seinen Vorgesetzten zu informieren.